Psychologie des Herdings: Wie die Spiegelneuronen unser Verhalten beeinflussen
Herding beschreibt das faszinierende Phänomen, bei dem Individuen ihre eigenen Überzeugungen ignorieren und stattdessen den Entscheidungen und Handlungen einer Gruppe folgen. Dieses Verhalten ähnelt dem Herdentrieb und zeigt sich oft im Alltag, etwa beim Besuch von beliebten Restaurants oder beim Kauf von Mode. Erfahre, wie Spiegelneuronen dieses Verhalten steuern und warum wir oft unbewusst die Mehrheit nachahmen.
Was ist Herding?
Herding stammt aus dem Englischen und steht für «to make people move somewhere as a group, often against their wishes or with difficulty», dt. «Menschen dazu zu bringen, sich als Gruppe irgendwo hin zu bewegen, oft gegen ihren Willen oder unter Schwierigkeiten».
Herding liegt vor, wenn Individuen ihre eigenen Überzeugungen ignorieren und stattdessen ihre Entscheidungen an den Meinungen, Emotionen und Handlungen einer Gruppe ausrichten und das Verhalten der Gruppe kopieren.
Der Begriff ist eine Metapher für das Verhalten, das dem Herdentrieb bei Tieren ähnelt. Solches Herdenverhalten zeigt sich oft im Alltag, beispielsweise beim Besuch von Restaurants oder Theatern, in der Mode oder beim Kauf von Bestsellern. [1]
Definition: Herding
Herding (dt. Herdenverhalten oder Herdentrieb) kann definiert werden als das Phänomen, dass Individuen sich entscheiden, anderen zu folgen und das Verhalten der Gruppe zu imitieren, anstatt unabhängig und atomistisch auf der Grundlage ihrer eigenen, privaten Informationen zu entscheiden. [2]
Das bedeutet, dass wir uns in bestimmten Situationen häufig an anderen Personen orientieren und ihr Verhalten nachahmen. Wenn jemand beispielsweise anfängt zu flüstern, wird sein Gegenüber wahrscheinlich ebenfalls leiser sprechen.
Dieses Phänomen beruht auf den Spiegelneuronen in unserem Gehirn. Spiegelneuronen sind Nervenzellen im Gehirn, die beim Beobachten eines Vorgangs das gleiche Aktivitätsmuster aufweist wie bei der eigenen Ausführung dieses Vorgangs. Sie sind verantwortlich für das Herdenverhalten, bei dem sich Verhaltensweisen auf die Mitglieder einer interagierenden Gruppe übertragen. Die Spiegelneuronen unterstützen uns dabei, die Absichten unseres Gegenübers zu erkennen und unser eigenes Verhalten entsprechend anzupassen.
Spiegelneuronen sind für die Mimikry und auch für die Empathie unerlässlich. Sie ermöglichen uns komplexe Aufgaben, die andere ausführen, zu kopieren. Zudem lassen sie uns auch die Emotionen erleben, die diese Person empfinden muss.
Wie differenziert sich Herding von ähnlichen Konzepten?
In der Verhaltensökonomie wird Herdenverhalten oft mit den folgenden psychologischen Konzepten verwechselt:
Konzept | Beschrieb | Unterschied | Abgrenzung |
---|---|---|---|
Soziale Bewährtheit (Social Proof) | Menschen orientieren sich an den Handlungen anderer, um das eigene Verhalten zu legitimieren, insbesondere in unsicheren oder unklaren Situationen. | Soziale Bewährtheit basiert auf dem Prinzip, dass Menschen das Verhalten anderer als Beweis für richtiges Verhalten ansehen, insbesondere in unsicheren oder unklaren Situationen. Menschen orientieren sich an den Handlungen anderer, weil sie glauben, dass diese Informationen besitzen, die sie selbst nicht haben. | Beim Herdenverhalten handelt es sich oft um ein unbewusstes Mitläufertum, bei dem das Verhalten anderer kopiert wird, ohne dass dies als Information interpretiert wird. Es ist mehr eine automatische Nachahmung als eine bewusste Entscheidung aufgrund wahrgenommener sozialer Beweise. |
Konformität | Der Drang, sich an Gruppennormen anzupassen, um Akzeptanz zu finden oder sozialer Ablehnung zu entgehen. | Konformität bezieht sich auf den Druck, sich an Gruppennormen anzupassen, um Akzeptanz zu finden oder sozialer Ablehnung zu entgehen. Es handelt sich oft um ein bewussteres Verhalten, das durch den Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit oder Zustimmung motiviert ist. | Herdenverhalten kann auch unbewusst geschehen und muss nicht durch einen sozialen Druck motiviert sein. Es geht mehr um die Tendenz, das Verhalten der Mehrheit automatisch zu imitieren, als um den Wunsch, Teil der Gruppe zu sein. |
Informationskaskaden | Individuen folgen den Entscheidungen anderer, weil sie glauben, dass diese über bessere Informationen verfügen. | Informationskaskaden treten auf, wenn Individuen die Entscheidungen anderer als Indikator für Informationen betrachten, die sie selbst nicht besitzen. Dies führt dazu, dass Menschen den Handlungen anderer folgen, weil sie glauben, dass diese besser informiert sind. | Beim Herdenverhalten geht es eher um das Nachahmen des Verhaltens anderer unabhängig davon, ob man diese als besser informiert betrachtet. Es ist eine automatische Reaktion auf das Verhalten der Mehrheit, ohne notwendigerweise eine Informationsbewertung vorzunehmen. |
Gruppendenken (Groupthink) | Der Wunsch nach Harmonie und Konformität innerhalb einer Gruppe führt zu irrationalen oder dysfunktionalen Entscheidungsprozessen. | Gruppendenken tritt auf, wenn der Wunsch nach Harmonie und Übereinstimmung innerhalb einer Gruppe zu irrationalen oder dysfunktionalen Entscheidungen führt. Es wird durch den Druck verursacht, Konsens zu erzielen und Konflikte zu vermeiden, was oft zur Unterdrückung abweichender Meinungen führt. | Herdenverhalten beinhaltet nicht unbedingt einen Gruppenentscheidungsprozess oder den Druck, einen Konsens zu erreichen. Es ist mehr eine individuelle Tendenz, das Verhalten der Masse zu imitieren, ohne die Gruppendynamik oder die sozialen Interaktionen, die typischerweise mit Gruppendenken verbunden sind. |
Wo tritt Herding auf?
Im Alltag beeinflusst das Herdenverhalten unser Verhalten auf vielfältige Weise. Hier sind einige Beispiele:
- Volle Restaurants: Wenn Menschen sehen, dass ein Restaurant gut besucht ist, nehmen sie an, dass es gutes Essen und einen guten Service bietet, und entscheiden sich eher dafür, dort zu essen, anstatt ein leeres Restaurant zu wählen.
- Kleidung und Accessoires: Menschen neigen dazu, modische Kleidung und Accessoires zu kaufen, die sie bei anderen sehen. Wenn viele Leute einen bestimmten Stil tragen, wird dieser schnell populär und als Trend wahrgenommen.
- Smartphones und andere Elektronikgeräte: Die Beliebtheit bestimmter Marken oder Modelle wird oft durch das Herding verstärkt. Wenn viele Menschen ein bestimmtes Smartphone besitzen, fühlen sich andere ermutigt, dasselbe Modell zu kaufen.
- Likes und Follower: Auf Plattformen wie Instagram oder Twitter beeinflusst die Anzahl der Likes, Kommentare und Follower das Verhalten anderer Nutzer. Ein Beitrag oder ein Account, der viele Interaktionen hat, wird als wertvoller und attraktiver wahrgenommen, was zu noch mehr Interaktionen führt.
- Freizeitparks und Touristenattraktionen: Wenn Menschen sehen, dass eine bestimmte Attraktion oder ein Freizeitpark sehr beliebt ist, sind sie eher geneigt, diese ebenfalls zu besuchen, in der Annahme, dass sie dort eine gute Zeit haben werden.
- Bestseller und Bewertungen: Beim Online-Shopping achten viele Menschen auf Bestsellerlisten und Kundenbewertungen. Ein Produkt mit vielen positiven Bewertungen und einer hohen Verkaufszahl wird als vertrauenswürdig und qualitativ hochwertig angesehen, was weitere Käufe anregt.
- Fitness-Trends und Diäten: Wenn viele Menschen eine bestimmte Diät oder einen Fitness-Trend verfolgen, sind andere eher geneigt, diesem Beispiel zu folgen, in der Annahme, dass es effektiv ist.
- Beliebte Events: Wenn eine Veranstaltung als gut besucht und erfolgreich wahrgenommen wird, sind Menschen eher bereit, daran teilzunehmen. Dies gilt für Konzerte, Festivals, Messen und andere öffentliche Ereignisse.
- Beliebte Wohngegenden: Die Entscheidung, in eine bestimmte Gegend zu ziehen, wird oft dadurch beeinflusst, dass viele andere Menschen dieselbe Wahl getroffen haben. Beliebte Wohngegenden ziehen mehr Interessenten an, was die Preise und die Nachfrage weiter in die Höhe treibt.
- Lebensmitteltrends: Trends wie der Boom veganer Produkte oder Superfoods werden durch Herdenverhalten verstärkt. Wenn viele Menschen bestimmte Lebensmittel als gesund und modisch ansehen, steigt die Nachfrage und mehr Menschen beginnen, diese Produkte zu kaufen.