Was ist Investitionsgütermarketing & was sind wichtige Faktoren?

Wie unterscheidet sich das Investitionsgütermarketing von traditionellen Marketingansätzen? Warum ist das Investitionsgütermarketing im B2B-Sektor so entscheidend für den Unternehmenserfolg? Was sind die Schlüsselelemente einer erfolgreichen Investitionsgüterstrategie?

Was ist Investitionsgütermarketing?

Das Investitionsgütermarketing, oft als Industriegütermarketing bezeichnet, fokussiert sich auf das Marketing von Produktionsressourcen, die nicht direkt an Endverbraucher, sondern an private Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen verkauft werden.

Definition: Industrial Marketing

Investitionsgütermarketing (Industrial Marketing) ist ein Bereich im B2B-Marketing (Business-to-Business), bezieht sich auf Marketingaktivitäten zwischen Unternehmen im Zusammenhang in der Vermarktung von Investitionsgütern. Hierbei geht es um den Verkauf und Kauf von Produkten oder Dienstleistungen, die von einem Unternehmen genutzt werden, um seine eigenen Produkte oder Dienstleistungen zu produzieren oder seinen Betrieb effizienter zu gestalten.

Eigenschaften und Besonderheiten des Investitionsgütermarketing

Kaufentscheidungen

  • Kaufentscheidungen sind multiprozessual, multitemporal, multipersonal und multiorganisational.
  • Direkter persönlicher Kontakt, Produkt- und Service-Individualisierung, sowie Finanzierungs- und Vertragspolitik.
  • Informationsbeschaffung über die Struktur organisationaler Kaufentscheidungsprozesse.

Derivative Bedarfsentstehung

  • Der Bedarf von Organisationen leitet sich von der Nachfrage ihrer eigenen Kunden ab.
  • Investitionsgüterhersteller sollten sowohl direkte Kunden als auch Kunden in nachgelagerten Stufen beachten.

Buying Center und Multipersonalität

  • Organisationen haben oft mehrere Entscheidungsträger beim Kauf (Buying Center).
  • Dieses kollektive Kaufverhalten unterscheidet sich von dem einzelner Konsumenten.

Langfristige Beziehungen und Bindung

  • Investitionsgüter sind in der Regel langlebig, was zu langfristigen Geschäftsbeziehungen führt.
  • Es besteht eine hohe Kundenbindung durch z.B. Ersatzteilversorgung und Wartungsverträge.

Beschaffungsverfahren und Vorschriften

  • Organisationen folgen oft objektiven Verfahrensvorschriften, wie in der VOL für öffentliche Aufträge festgelegt.
  • Beratende Ingenieure unterstützen in vielen Phasen des Beschaffungsprozesses.

Globalisierung und Multiorganisationalität

  • Global vernetzte Buying Centers erfordern eine differenzierte Marktansprache.
  • Die Herkunft der Entscheidungsträger kann nicht immer klar bestimmt werden.

Erklärungsbedarf und Individualität

  • Viele Investitionsgüter, wie Chip-Fabriken, erfordern eine ausführliche Erklärung.
  • Produkte sind oft sehr individuell oder kundenspezifisch.

Folgekosten und Mittelbindung

  • Mit Investitionen sind hohe Folgekosten verbunden (z.B. Schulungen, Wartung).
  • Unternehmen binden oft erhebliche Mittel durch ihre Investitionsentscheidungen.
  • Total Cost of Ownership wird analysiert, um langfristige Kosten zu überblicken.

Marktteilnehmer

  • Im Gegensatz zum Konsumgütermarketing sind die Beteiligten hier nicht anonym.

Einflussnahme

  • Die öffentliche Hand beeinflusst oft die Rahmenbedingungen, z.B. durch Subventionen, Infrastrukturprojekte oder gesetzliche Auflagen.

Globaler Vertrieb und Kosten

  • Selbst kleinere Investitionsgüterhersteller vermarkten ihre Produkte oft global, da lokale Kunden fehlen.
  • Dies resultiert in höheren Vertriebskosten.

Entwicklungstrend

Da die Produkte verschiedener Anbieter auf vielen Märkten oft ähnlich sind, gewinnen ergänzende Services an Bedeutung, um sich vom Mitbewerber abzuheben.

  • Beratung im Vorfeld des Kaufs
  • Durchführung von Rentabilitätsanalysen
  • Dienstleistungen zur Einbindung des Produkts in den Fertigungsablauf des Abnehmers
  • Schulungsannahmen und Optimierung der Produktion
  • Service- und Wartungsvereinbarungen
  • Versorgung mit Ersatzteilen
  • Fernwartungsdienste

Typen der Investitionsgüter und die Auswirkungen aufs Marketing

Produktsegment

Beinhaltet die weitgehend standardisierte Fertigung und den Vertrieb von Investitionsgütern, die vom Kunden unabhängig genutzt werden.

Eigenschaften

  • Einfache Anwendbarkeit und Integration.
  • In der Regel keine zusätzlichen Dienstleistungen oder Anpassungen erforderlich.

Beispiele: Industriemaschinen, Werkzeuge, Baumaschinen.

Marketingansatz: Zielgerichtete Werbung auf Fachmessen, technische Broschüren und direkte Verkaufsstrategien.

Anlagen- oder Projektsegment

Fokussiert sich auf umfangreiche Angebote, die entweder aus Hardware- oder Softwarekomponenten bestehen und beim Kunden zu funktionierenden Einheiten zusammengestellt werden.

Eigenschaften

  • Hohe Komplexität und individuelle Anpassung an Kundenbedürfnisse.
  • Erfordert in der Regel eine umfassende Projektplanung und -umsetzung.

Beispiele: Automatisierungssysteme, Kraftwerksanlagen.

Marketingansatz: Langfristige Beziehungen, Kundenberatung und -schulung, After-Sales-Support.

Systemsegment

Zeichnet sich durch die Kombination von Funktionsteilen zu umfassenden Systemen mittels Engineering und Projektmanagement aus.

Eigenschaften

  • Kombination aus Produkten, Software und Dienstleistungen.
  • Erfordert spezialisiertes Know-how und umfassendes Projektmanagement.

Beispiele: IT-Infrastrukturen, integrierte Produktionssysteme.

Marketingansatz: Beratungsintensiv, anpassbare Lösungen, starke Kundenbindung durch Pre- und After-Sales-Services.

Zuliefersegment

Steht die dauerhafte Geschäftsverbindung im Vordergrund. Der Lieferant bietet Services an, die vom Abnehmer schrittweise abgerufen werden.

Eigenschaften

  • Langfristige Verträge und Geschäftsbeziehungen.
  • Oft branchenspezifisch mit strengen Qualitäts- und Lieferanforderungen.

Beispiele: Autoteile für die Automobilbranche, spezialisierte Komponenten für die Luft- und Raumfahrt.

Marketingansatz: Partnerschaftliche Beziehungen, Qualitätssicherung, Just-in-Time-Lieferung.

Marketing-Mix im Bereich Investitionsgütermarketing

Produktpolitik

  • Kundenintegration: Ein zentrales Element ist die Einbindung des Kunden in das Innovationsmanagement.
  • Produkttests: Mangels konventioneller Testmärkte sind Pilotkunden für die Bewertung neuer Produkte unerlässlich.

Preispolitik

  • Ausschreibungsverfahren: Industriegüter werden oft über formelle oder informelle Ausschreibungsprozesse (Competitive Bidding) beschafft.
  • Preisstrategien: Strategien zur Preisdifferenzierung oder Preisänderung sind in diesem Umfeld schwierig umzusetzen.

Kommunikationspolitik

  • Informationsbedarf: Es gilt, den Informationsbedürfnissen aller Beteiligten im Buying Center intensiv gerecht zu werden.
  • Werbekanäle: Direktmarketing, Messen und Ausstellungen stehen im Vordergrund, während klassische Mediawerbung eine geringere Rolle spielt.
  • Ingredient Branding: Die Hervorhebung von Markennamen bei Komponenten nimmt zu.
  • CRM: Ein effizientes Customer-Relationship-Management ist entscheidend, um Kunden z.B. mittels Newslettern zu binden und zu informieren.
  • Buyclass Framework: Die Kommunikation sollte die verschiedenen Beschaffungssituationen berücksichtigen, wie z.B.:
    • Neue Aufgabe: Hoher Informationsbedarf und bedeutende Suche nach Alternativen.
    • Modifizierter Wiederkauf: Mittlerer Informationsbedarf und begrenzte Alternativensuche.
    • Routineeinkauf: Geringer Informationsbedarf und fehlende Alternativensuche.

Distributionspolitik

  • Vertriebsmethode: Direktvertrieb und persönlicher Verkauf dominieren bei teuren Investitionsgütern.
  • Globaler Fokus: Spezialisierte Anbieter agieren oft weltweit, da es nur wenige potenzielle Kunden in einzelnen Ländern gibt.
  • Lokale Anpassungen: Kulturelle Differenzen und länderspezifische Vorschriften, z.B. im Arbeitsschutz, müssen berücksichtigt werden.
  • Vertriebsstruktur: Im internationalen Kontext werden oft regionale Vertriebsbüros für Hauptmärkte und unabhängige Handelsvertreter für sekundäre Märkte eingesetzt.

Wie funktioniert Investitionsgütermarketing in einem Unternehmen?

Wenn ein Unternehmen Investitionsgütermarketing implementiert, erfüllt es folgende Hauptrollen.

Marktorientierung

Ein effizientes Investitionsgütermarketing verlangt von dem Unternehmen eine intensive Auseinandersetzung mit dem Anbietermarkt. Dies erfordert, die Herausforderungen der Kunden zu identifizieren und mit den eigenen Produkten passende Innovationen zu präsentieren. Ein solches Vorgehen ermöglicht es dem Unternehmen, sich einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Führungsfunktion

Zielstrebigkeit im Hinblick auf komparative Kostenvorteile erfordert eine umfassende Einbindung aller Unternehmenssegmente in das Investitionsgütermarketing. Dies lässt das Investitionsgütermarketing in einer Art leitenden Rolle agieren.

Technologischer Ansatz und Marktdenken

Die Anwendung von Investitionsgütermarketing könnte den Erwerb spezifischer Technologien erfordern. Eine dahinterstehende Marktstrategie und Denkweise fokussiert sich auf Marktbeobachtungen im Investitionsgüterbereich und die Entwicklung innovativer Produkte. Hierbei spielen vor allem Forschung und Entwicklung, Produktion sowie Vertrieb eine zentrale Rolle.