Was ist Retail Media, wie funktioniert es und was sind seine Implikationen?
Was steckt hinter dem Hype um Retail Media? Warum setzen immer mehr Marken und Händler auf Retail Media? Welche ethischen Fragen wirft der Aufstieg von Retail Media auf?
Was ist Retail Media?
Retail Media steht an der Schnittstelle von Handel, Werbung und Technologie. Durch die Entstehung von diversen Ökosystemen, digitaler und physischer Natur, schafft Retail Media einen Wertekreislauf.
Retail Media kann durch verschiedene Formate wie gesponserte Produkte, Videoanzeigen, dedizierte Markenbereiche oder inhaltsgesteuerte Strategien wie Influencer Marketing realisiert werden.
Doch der wirkliche Mehrwert entfaltet sich erst in der Tiefe der Daten, der präzisen Segmentierung und der konsequenten, durchdachten Kundenansprache. So ermöglicht Retail Media nicht nur Transaktionen, sondern auch Transformationen. Die Technologie wird hier zum Verstärker kultureller und wirtschaftlicher Werte, die weit über den einfachen Kaufakt hinausgehen.
In einer Zeit, in der Aufmerksamkeit zur Währung wird, ist Retail Media ein Mechanismus, der diese Währung reguliert und gleichzeitig für sich monopolisiert. Es fordert uns auf, die Art und Weise, wie wir Wert und Bedeutung zuordnen, zu überdenken. Es ist ein Dialog, der in Zahlen und Algorithmen genauso geführt wird wie in Emotionen und Narrativen. Ein komplexes Geflecht, das zur Reflexion einlädt, während es das Konsumverhalten prägt.
Die Grenzen zwischen Handel und Medien verschwimmen zunehmend.
Doch Vorsicht ist geboten. Retail Media ist auch ein Spiegel unserer Impulse, unserer unüberlegten Klicks und unserer verborgenen Wünsche. Die Ethik dieses Mechanismus steht zur Debatte.
Definition: Retail Media
Retail Media ist eine Form des digitalen Marketings, die die Werbe- und Verkaufsprozesse direkt in den Kontext der Einzelhandelsplattformen integriert. Dabei geht es nicht nur um die Platzierung von Produktanzeigen, sondern um ein Ökosystem, das Kaufentscheidungen in der eigentlichen Umgebung des Konsums beeinflusst.
Die verschiedene Ausprägungen von Retail Media
Im Feld des Retail Media entwickelt sich eine zunehmende Vielfalt an Werbeformaten, mit unterschiedlichen Eigenschaften und Ausprägungen:
Gesponserte Artikel
Diese Werbeart ähnelt der Suchmaschinenwerbung. Bei einer Produktrecherche auf Amazon erscheinen diese Artikel prominent im oberen Bereich und auch innerhalb der organischen Suchergebnisse. Sie tauchen zudem auf den Seiten verwandter Produkte auf, um Kunden von konkurrierenden Angeboten abzuwerben. Diese Strategie wird sowohl von etablierten Marken als auch von kleinen Marktplatzhändlern eingesetzt.
Video- und Displayanzeigen
Diese Formate sind auf diversen Händlerwebsites präsent. Im Unterschied zu klassischer Werbung führen sie jedoch nicht auf die Herstellerseite, sondern auf die spezifische Markenseite im Onlineshop. Dort kann das beworbene Produkt sofort erworben werden. Der Fokus kann auf einem eingebetteten Markenshop, einer Kategorie oder einer Kampagnenseite liegen.
Dedizierte Markenbereiche
Ein Shop-im-Shop Ansatz bietet Marken eigene virtuelle Flächen innerhalb eines grösseren Onlineshops. Dies ermöglicht eine massgeschneiderte Darstellung des Produktangebots und der Markenidentität, frei von der Präsenz konkurrierender Produkte.
Inhaltsgesteuerte Strategien
Grosse Onlineshops wie Zalando und About You setzen auf die Verknüpfung von Content und Produktempfehlungen durch Influencer Marketing und Native Advertising.
Beispiel
- Kooperation zwischen Lufthansa und About You die Influencerin Debbi Flügge mit einem Kleiderschrank voller About You-Produkte nach Panama, wovon anschliessend berichtet wurde.
Exklusive Produktzusammenarbeiten
Diese ermöglichen den Marken hohe Sichtbarkeit in spezifischen Shops. Die Produkte werden exklusiv über einen Shop vertrieben.
Beispiel
- Pumas Kollektion bei Zalando
- Disneys Partnerschaft mit About You
Warum Retail Media? Was verändert sie?
Warum Retail Media? Die Frage zielt nicht nur auf die Funktionalität, sondern enthält in sich eine Suche nach dem Wesen der Veränderung, die derzeit den Markt durchzieht. Amazon, Facebook und Google sind mehr als Plattformen; sie sind Schnittstellen menschlichen Begehrens. Sie haben den digitalen Raum so umgestaltet, dass er inzwischen die Instinkte und Impulse der Konsumenten nicht nur befriedigt, sondern diese zuvor sogar erkennt und formt.
Retail Media ist die natürliche Fortentwicklung dieses Phänomens. Die Direktheit, mit der potenzielle Kunden auf Marktplätzen wie Amazon erreicht werden, reduziert die Distanz zwischen Bedarf und Befriedigung auf ein Minimum. Hier ist Werbung nicht Störfaktor, sondern Orientierung, nicht Unterbrechung, sondern Service. Die Proximität zum Point-of-Sale verwandelt die Werbebotschaft in eine quasi-taktile Erfahrung; sie wird Teil des Kaufakts selbst.
Was verändert Retail Media und welche Fragen kommen dabei auf?
- Ethische Fragen: Datensammlung und -analyse erzeugen neue Diskussionen über Privatsphäre und Kontrolle.
- Raum neu definiert: Physische und digitale Landschaften verschmelzen, der Marktplatz wird zum Medium.
- Kaufprozess beschleunigt: Werbung und Kaufakt finden im selben Kontext statt, wodurch Friction reduziert wird.
- Datengetrieben: Tiefere, personalisierte Einblicke in Konsumentenverhalten ermöglichen zielgerichtete Ansprache.
- Wertewandel: Aufmerksamkeit wird zur Hauptwährung, der Umgang damit prägt Markenimage und Konsumentenbindung.
- Machtverschiebung: Plattformen wie Amazon werden zu entscheidenden Akteuren im Werbeökosystem.
- Hybridisierung: Traditionelle Werbemodelle werden durch integrierte Ansätze herausgefordert, die Content und Commerce verbinden.
- Konsument als Co-Produzent: Die aktive Rolle des Konsumenten im digitalen Raum gestaltet Werbebotschaften mit.
Plattformen mit Retail Media Absätzen
Verschiedene Plattformen haben die Möglichkeiten von Retail Media erkannt und bieten spezialisierte Werbeangebote an. Diese Beispiele illustrieren die Vielseitigkeit von Retail Media im aktuellen Markt. Die Spezialisierung der Plattformen zeigt, dass es weit mehr als eine homogene Herangehensweise gibt. J
- Amazon: Mit Amazon Advertising steht eine der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Retail Media-Plattformen zur Verfügung.
- eBay: Durch eBay Promoted Listings können Händler ihre Produkte hervorheben.
- Walmart: Die Walmart Media Group offeriert ein umfassendes Angebot an Retail Media-Diensten. Neben digitalen Anzeigen bietet Walmart auch die Möglichkeit, Werbung in ihren physischen Geschäften zu platzieren.
- Zalando: Mit Zalando Marketing Services (ZMS) bietet der Online-Händler für Mode eine Plattform für gezieltes Retail Media. Dabei wird der Fokus auf datengetriebenes Marketing und die Schaffung von individuellen Nutzererlebnissen gelegt.
- About You: Über die Plattform von About You können Marken nicht nur ihre Produkte anbieten, sondern auch auf spezialisierte Werbeformate zugreifen. Das Unternehmen setzt stark auf Content- und Influencer-Marketing, um ein nahtloses Einkaufserlebnis zu schaffen.
- Otto: Von gesponserten Produkten bis hin zu ausführlichen Markenportraits ermöglicht Otto eine differenzierte Kundenansprache.
Ehtische Fragen in Kontaxt mir
Doch Vorsicht ist geboten. Retail Media ist auch ein Spiegel unserer Impulse, unserer unüberlegten Klicks und unserer verborgenen Wünsche. Die Ethik dieses Mechanismus steht zur Debatte.
- Wer kontrolliert diese neuen Marktplätze der Aufmerksamkeit?
- Wie transparent sind die Prozesse?
- Welche neuen Abhängigkeiten entstehen?
Die Dynamik von Retail Media fordert uns auf, nicht nur die Technik, sondern auch die Ethik der Marktplätze zu hinterfragen. Es ist eine Auseinandersetzung, die weit über Datenschutz hinausgeht und tief in die Mechanismen von Macht, Einfluss und menschlicher Autonomie eindringt.
- Wie deutlich ist für den Konsumenten ersichtlich, dass er sich in einem werbebeeinflussten Raum bewegt – Schlagwort Transparenz?
- Es wird nicht nur die Transaktion analysiert, sondern auch das Verhalten. Doch wer besitzt diese Daten, und in welchem Ausmass wird der Konsument darüber informiert?
- Retail Media hat das Potential, das Kaufverhalten nicht nur zu analysieren, sondern auch aktiv zu steuern, dies steht im Konflikt mit der Entscheidungsfindung. Wo bleibt in diesem Prozess die individuelle Entscheidungsfreiheit?
- Da Marktplätze wie Amazon immer mehr Einfluss im Retail Media erlangen, stellt sich die Frage nach deren sozialer und ethischer Verantwortung.
- Die Dominanz weniger grosser Player kann den Markt in einer Weise beeinflussen, die ethisch bedenklich ist. Monopolisierungstendenzen sind kritisch zu betrachten.
- Retail Media beeinflusst nicht nur das individuelle Verhalten, sondern hat auch gesellschaftliche Implikationen. Welche Rolle spielt es in der Förderung von Konsumkultur, und welche gesellschaftlichen Werte repräsentiert es?