Marketing- & Werbekonzept Sex Sells – Wirkung, Chancen und Risiken
Warum funktioniert Sex Sells so gut? Welche Chancen bietet es, und welche Risiken birgt es in einer zunehmend kritischen Gesellschaft?
Was bedeutet Sex Sells?
Das Prinzip «Sex Sells» (englisch für Sex verkauft) hat sich in der Welt der Werbung zu einer etablierten Strategie entwickelt. Diese Redewendung drückt aus, dass sich Produkte besser verkaufen lassen, wenn sie in einem Kontext mit sexuellen Anspielungen oder Reizen präsentiert werden. Ob in der Automobilbranche, der Modewelt oder bei Lifestyle-Produkten – das Konzept spielt mit der Macht der Sinnlichkeit, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und Kaufimpulse auszulösen.
Sexuelle Reize wecken unsere Sinne und bleiben oft besser im Gedächtnis. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass visuell ansprechende und provokante Werbung Aufmerksamkeit steigert und die Markenwahrnehmung beeinflussen kann.
Ob Sex Sells auch in Zukunft ein fester Bestandteil der Werbung bleibt, hängt davon ab, wie gut es sich den Werten und Erwartungen der modernen Gesellschaft anpassen kann.
Warum funktioniert Sex Sells?
Das Werbekonzept basiert auf der Erkenntnis, dass emotionale Reize – insbesondere sexuelle Anspielungen – das menschliche Gehirn stark aktivieren und Informationen länger im Gedächtnis haften bleiben. Studien aus der Lernpsychologie belegen, dass Produkte in emotional aufgeladenen Kontexten, etwa mit Freude oder sinnlichen Reizen, intensiver wahrgenommen werden.
Sexuelle Inhalte erzeugen dabei eine emotionale Erregung, die häufig mit der beworbenen Marke oder dem Produkt verknüpft wird. So entstehen positive Assoziationen, die Kaufentscheidungen beeinflussen können. Beispiele sind:
- Leicht bekleidete Frauen in Autowerbungen
- Promotion-Girls auf Messen und Veranstaltungen
- Provokante Werbekampagnen wie die «Miss-Arschgeweih»-Wahl von Jägermeister
Allerdings ist das Prinzip nicht ohne Risiken. Untersuchungen weisen auf den sogenannten Vampir-Effekt hin: Dabei lenken die emotionalen Reize – wie ein attraktives Model – so stark vom beworbenen Produkt ab, dass die Marke oder Botschaft gar nicht wahrgenommen wird.
Kritik und Risiken von Sex Sells
Stereotype und Sexismus
Viele Sex Sells-Kampagnen reproduzieren stereotype Geschlechterrollen und sexistische Darstellungen, was zunehmend auf Widerstand stösst. Insbesondere die Objektifizierung von Frauen wird von kritischen Konsument*innen nicht mehr akzeptiert.
Imageverlust
Provokative Werbung kann polarisieren. Eine schlecht durchdachte Kampagne kann zu einem Shitstorm in den sozialen Medien führen und dem Markenimage schaden.
Zunehmende Sensibilisierung
In einer Gesellschaft, die zunehmend Wert auf Diversität, Inklusion und ethische Werbung legt, wird die Akzeptanz für Sex Sells geringer. Marken, die weiterhin auf provokante Inhalte setzen, riskieren, als rückständig wahrgenommen zu werden.
Ist Sex Sells noch zeitgemäss?
Das Konzept Sex Sells ist keineswegs ausgestorben, doch es verändert sich. Moderne Kampagnen setzen zunehmend auf subtilere Ansätze, die Sexualität mit Empowerment, Individualität und Authentizität verbinden. Ein Beispiel hierfür ist Dove, das in seinen Kampagnen Diversität und Körperpositivität betont, statt auf stereotype Schönheitsideale zu setzen.
Die Geschichte von Sex Sells
Anfänge in der Werbung
Das Konzept Sex Sells lässt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Eine der ersten bekannten Werbeanzeigen mit erotischen Anspielungen stammt aus dem Jahr 1871: Die Zigarettenmarke Pearl Tobacco nutzte das Bild einer leicht bekleideten Frau, um ihre Produkte zu bewerben. Auch die Brauerei Anheuser-Busch griff um die Jahrhundertwende 1890–1905 auf ähnliche Motive zurück.
In den 1950er-Jahren begann das Konzept, sich stärker in der Werbekultur zu verankern. Der Durchbruch kam 1953 mit der ersten Ausgabe des Playboy-Magazins, das die damals noch unbekannte Marilyn Monroe nackt auf dem Cover zeigte. Dieses ikonische Bild machte den Slogan Sex Sells weltweit bekannt und beeinflusste die Werbeindustrie nachhaltig.
Moderne Beispiele
Heute wird das Prinzip auf vielfältige Weise umgesetzt:
- JBS-Unterwäsche-Werbung: Provokante Kampagnen, in denen Frauen in Männerunterwäsche inszeniert werden.
- Perrier-Werbung: Sinnlich inszenierte Bilder, die Erfrischung und Luxus mit subtiler Erotik kombinieren.
- Calvin Klein: Minimalistische Ästhetik kombiniert mit sinnlichen Körpern, die Unterwäsche zu einem Symbol für Selbstbewusstsein machen.
Beispiele provokativer Werbekampagnen
Von Dessous-Marken bis zu Erfrischungsgetränken – provokative Kampagnen, die bewusst mit Sinnlichkeit und Erotik spielen, gehören zu den wirksamsten, aber auch kontroversesten Strategien im Marketing.

It’s String Time!
Die Unterwäschemarke Sloggi startete mit ihrer Kampagne «It’s String Time!» eine provokative und stark polarisierende Werbung, die auf das Konzept Sex Sells setzt.
Die Anzeige erzeugt durch die provokative Darstellung sofort Aufmerksamkeit und bleibt im Gedächtnis. Die lockere, sommerliche Gestaltung spricht eine jüngere, modebewusste Zielgruppe an.

Not Dressing Men
Das niederländische Mode-Label Suistudio sorgte 2017 mit der Herbstkampagne «Not Dressing Men» für Aufsehen. Frauen in Hosenanzügen dominieren die Szenen, während nackte Männer als Beiwerk dargestellt werden – eine Umkehr klassischer Rollenbilder. Ziel war es, moderne, selbstbewusste Frauen anzusprechen und ein Statement gegen die Objektifizierung von Frauen zu setzen, indem Männer dekorativ inszeniert wurden.

I ___ in #mycalvins
Mit dem Hashtag #mycalvins regt die Kampagne eine breite Beteiligung auf Plattformen wie Instagram an. User-Generated Content wird gefördert, was die Markenreichweite organisch erhöht.
Die Kampagne richtet sich vor allem an junge Erwachsene, die sich über Social Media ausdrücken und einen modernen, freizügigen Lebensstil repräsentieren.

Men don’t want to look at naked men
JBS zielt mit dem Slogan «Men don’t want to look at naked men» direkt auf eine männliche Zielgruppe ab. Die Kampagne basiert auf der Annahme, dass Männer lieber Frauen in Unterwäsche sehen, selbst wenn das Produkt für Männer gedacht ist.

Perrier
Perrier assoziiert sein Produkt mit Eleganz und einem gehobenen Lifestyle, ohne explizit sexualisiert zu wirken. Der Fokus liegt auf einer selbstbewussten Ausstrahlung, die subtil mit Erotik spielt. Subtile Sinnlichkeit mit einem humorvollen Unterton, eingebettet in einen luxuriösen Kontext. Wirkt stilvoller und weniger provokant.